– [fond rouge]Anmerkung[/fond rouge]

Dieser Rechtsratgeber ist keine Einladung sich an das Recht zu halten.

Die Antirepressionsarbeit der Roten Hilfe ist Teil des revolutionären antikapitalistischen Kampfes. Wir denken rechtliche Mittel sollten benutzt werden, aber wir wissen ebenso, dass diese nicht ausreichen um die bestehende Ordnung zu stürzen. Wie könnte es auch anders sein, denn das Recht bestätigt die sozialen Kämpfe und macht es einfacher die bestehende Ordnung zu reproduzieren. Einen Kampf gegen die Bourgeoisie zu führen innerhalb es bürgerlichen Rechts wäre wie wenn man sich einen Fuss abschneiden würde um in den Schuh zu kommen.

Dieser Rechtsratgeber soll bei Entscheidungen (Ist es legal oder illegal?) helfen um herauszufinden wann Rechtsbrüche entstehen und man auf Repression trifft.

– [fond rouge]Demonstrationen: Bewilligt, Toleriert, Verboten[/fond rouge]

Die Verfassung garantiert das Demonstrationsrecht. Doch dieses Recht ist völlig überfüllt mit Regeln der Polizei, der Städte etc. Die Gemeinden verlangen eine vorgängige Eingabe einer Bewilligung, welche zumeist, nach einem Telefonat ausgestellt wird. Verbotene Demos können im Keim erstickt werden, manchmal aber auch toleriert werden.

Toleranz gibt es gar nicht in zwei Zonen (Bestraft mit 250€ Busse): bei weniger als 50 Meter vor einer Botschaft oder einem Konsulat (möglich mit einer Bewilligung). In Brüssel gibt es keine Bewilligung in der “neutralen Zone” (d.h in der Rue Ducale, rue de Louvain (von der rue du Nord zur rue Royale), rue Royale (von der Kreuzung rue de la Croix de Fer, de l’Enseignement und rue du Treurenberg zum Place Royale), place des Palais, place du Trone, rue Bréderode und innerhalb der Zone beschränkt auf diese Strassen.)

– [fond rouge]Anonymität[/fond rouge]

Die Polizei filmt die DemonstrantInnen um Daten zu sammeln. Die Filmer und Photographen sind meist in zivil. Zudem gibt es Überwachungskameras und sogar Helikopter. In einigen Ländern gibt es die militante Tradition der Vermummung: Masken, Kapuzenpullis oder Photographen aus der Demo schmeissen… In Belgien ist das vermummen verboten.

– [fond rouge]Verboten[/fond rouge]

“Widerstand leisten”: Die Polizei zögert nicht vor dem Gebrauch dieses Mittels. Es beinhaltet das Hindern der Polizeikräfte am Durchsetzen des Rechts, mit Gewalt (auch Licht), oder Drohung.
Als Beispiele: Wenn man von einem Polizisten festhgehalten wird und man sich wehrt, ihn z.b., abgesehen von Selbstverteidigung, schlägt, oder wenn man versucht einen Polizeicordon zu durchbrechen. Wenn du in einer Gruppe bist (2 oder mehr), wenn du bewaffnet bist (ein Plakat genügt), ist es noch schwerwiegender. Das Verweigern eines Befehls fällt nocht nicht in den Straftatbestand “Widerstand leisten”; du kannst dich auf den Boden legen und dich wegtragen lassen (passiver Widerstand, 2 oder 3 Polizisten sind nötig), dich verstecken, wegrennen vor einer Verhaftung…????

“Beleidung, Beschimpfung, Verleumdung”

Verleumdung (Rufmord etc.) wird bestraft mit Gefängnis von 1 Tag bis zu 1 Jahr und einer Busse. Beleidigung wird mit Gefängnis von 15 Tagen bis zu 6 Monaten und einer Busse bestraft, wobei das Gericht beurteilt was beleidigend ist.

– [fond rouge]Die Polizei im öffentlichen Raum[/fond rouge]

Die Polizei hat das Recht zur Identitätsüberprüfung. Theoretisch kannst du das wie du willst (Fahrausweis, Legi…). Faktisch jedoch führt das Nicht-Vorweisen der ID Karte zu einer vorübergehenden Festnahme. Wenn du keine Papier dabei hast, kriegst du eventuell eine Busse.

Die Polizei hat das Recht dich oberflächlich zu durchsuchen ohne dass du dich ausziehen musst, in Fällen wo Recht und Ordnung in Gefahr ist: Menschen, Taschen, Autos können durchsucht werden. Dies muss innerhalb von 1 Stunde passieren und sie können dich nicht im Polizeiwagen durchsuchen.

Die Polizei hat das Recht dich genauer zu durchsuchen wenn sie einen Haftbefehl gegen dich haben. Die Durchsuchung darf max. 6 Stunden dauern und sie dürfen dich ausziehen. Ein “genaurer” Körpercheck darf nur ein zugeteilter Arzt vornehmen.

– [fond rouge]Verschiedene Arten von Verhaftungen[/fond rouge]

Präventive Verhaftung: In absolut dringenden Fällen (unmittelbare Gefährdung von Recht und Ordnung) wenn die Polizei denkt, dass du Recht brechen wirst. Es gibt keinen Haftbefehl, du erhältst einen Freiheitsentzug von max. 12 Stunden. Es gibt weder ein Recht auf einen Anwalt, noch darauf jemanden anzurufen (ausser bei Minderjährigen). Die Polizei darf Bilder von dir machen falls du verdächtigt wirst einer Gruppe von DemonstrantInnen anzugehören. AusländerInnen können für max. 48 Stunden festgehalten werden.

Richterliche Verhaftung ohne Haftbefehl: Ähnlich wie die präventive Verhaftung, aber die Staatsanwaltschaft ist informiert und die Festnahme kann bis zu max. 48 Stunden erweitert werden. Du hast kein Recht auf einen Anwalt. Diese Art von Verhaftung geschieht wenn du in flagranti erwischt wirst.

Richterliche Verhaftung mit Haftbefehl: Die Staatsanwaltschaft oder zuständige Strafverfolgungsbehörde ordnen dies an, du wirst innerhalb 24 Stunden einvernommen, dann wird entschieden ob du festgenommen und ins Gefängnis gesteckt wirst. In diesem Fall, verlange einen Anwalt, auch wenn die Polizei dir dieses Recht nicht wirklich eingesteht. Du hast ebenfalls das Recht jemanden anzurufen solange keine Gefahr der Absprache per Telefon besteht.

– [fond rouge]Gewaltanwendung[/fond rouge]

Die Anwendung der Polizei: Ein Polizist kann davon Gebrauch machen nach 3 Prinzipien:
Legalität (Zweck und Bereich des Rechts), Notwendigkeit (falls es keine andere Möglichkeit gibt den Zweck zu erfüllen), Verhältnismässigkeit (er darf nicht mehr Gewalt anwenden als nötig). Er muss ebenfalls vorher warnen, dass er Gewalt anwenden wird, ausser es macht sein Handeln damit nicht mehr wirkungsvoll.

Widerstand: Wenn ein Polizist offensichtlich und ernsthaft illegal handelt, kannst du ihn, auch mit Gewalt, daran hindern. Diese Gewaltanwendung muss allerdings notwendig und verhältnismässig sein (Türe vor seinem Gesicht zuknallen, einen Cordon bilden, aber nicht ihn schlagen, ausser er schlägt dich…)

Selbstverteidigung: Die rechtliche Lage ist ziemlich strikt, du kannst auf einen Angriff reagieren: wenn er gewalttätig ist und von einer ernsthaften Bedrohung ausgegangen werden kann (du hast auch das Recht einen Freund zu verteidigen), wenn er unmittelbar ist (einige Minuten später ist keine Selbstverteidigung mehr), wenn er unfair ist (wenn ein Polizist Gewalt anwendet und rechtliche Bedingungen bedenklich verletzt und du nicht legal reagieren kannst, wenn er gegen Personen direkt gerichtet ist (nicht z.b. deine Kamera), dann kannst du verhältnismässig reagieren (aber nicht etwa eine Granate werfen als Antwort auf ein Gedränge)

Gewalt aufgrund Provokation

Definition von Provokation: Ereignis, welches Angst oder Schrecken auslöst und zu einer spontanen Reaktion führt. Es kann entschuldigt werden unter folgenden Bedingungen: illegal, gegen eine oder mehrere Personen, unmittelbar. Versuche Beweise zu sammeln!
Fotos, Fingerabdrücke, DNA: eine richterliche Direktive erlaubt der Polizei Fotos zu machen bei einer präventiven Verhaftung falls du verdächtigt wirst zu einer Gruppe DemonstrantInnen zu gehören.

– [fond rouge]Befragung[/fond rouge]

Eine Befragung bedeutet meistens, dass zu wenig Beweise vorliegen. Hab keine Angst, die einzige Gefahr ist, dass sie Beweise sammeln. Hilf ihnen nicht. Du musst ihnen nichts sagen. Du hast das Recht die Aussage zu verweigern. Sag ihnen bloss, dass du keine Aussage machst. Diese Verweigerung kann nicht als Geständnis benutzt werden.
Falls du trotz allem etwas sagst, hast du das Recht das Protokoll nochmals zu lesen und deine Aussagen zu überprüfen. Du kannst eine Kopie verlangen. Du musst das Protokoll auch nicht unterzeichnen. Es gibt keine Ausnahmen für diese Rechte.
Dies gilt auch bei der Befragung der untersuchenden Behörde. Informiere diene Mitgefangenen über diese Rechte. Aber sprich nicht zu viel: es ist nicht unwahrscheinlich, dass es Mikrofone oder sogar Zivis in den Zellen hat oder dass deine Mitgefangenen gesprächig sind während des Verhörs.

– [fond rouge]Anwalt[/fond rouge]

Du hast das Recht auf einen Anwalt wenn du beschuldigt wirst. Dein Anwalt ist auf deiner Seite innerhalb des Rechtes: er möchte, dass du frei kommst. Aber vergiss nicht: Setze dabei nicht die politischen Prinzipien und das Kollektiv aufs Spiel. Lieber rechtlich verlieren als deine Mitgefangenen zu belasten oder deine politischen Prinzipien.